Mittelalterliche Architektur in der nördlichen Umgebung von Ingolstadt

 

 

Aus dem Mittelalter haben sich vor allem Burgen und Kirchen bis in unsere Zeit erhalten. Das Mittelalter unterteilt man gewöhnlich in die kunstgeschichtlichen Epochen der Vorromanik, Romanik und der Gotik. Gemäß dieser Unterscheidung soll dieser Bericht den mittelalterlichen Bautenbestand in der Region nördlich von Ingolstadt vorstellen und dabei besonders die weniger bekannten Baudenkmäler “auf dem Lande” berücksichtigen.

 

Zuerst soll einmal auf die mittelalterlichen Sakralbauten hingewiesen sein. Viele von ihnen sind allerdings nicht auf den ersten Blick als mittelalterlich erkenntlich, da zur Zeit des Barock fast alle Kirchen der Umgebung neu errichtet oder neu ausgestattet wurden. Bei den meisten der neugebauten Kirchen wurden allerdings die Turmuntergeschoße vom Vorgängerbau übernommen, so z. B. in Böhmfeld.

 

Wir haben Glück, nahe bei Ingolstadt gibt es gleich mehrere Kirchen mit gut erhaltener romanischer Bausubstanz. Typisch für romanische Kirchen in unserer Umgebung sind vor allem die halbrunden Apsiden, entweder einzeln oder eine große zwischen zwei kleinen, um die sich oft ein mit allerlei Menschen- und Tierköpfen verzierter Rundbogenfries zieht und das Steinquadermauerwerk. Auch die aus der keltischen Kultur stammende Sitte, an Sakralbauten Menschenkopfskulpturen anzubringen, war hier sehr beliebt. Noch am weitgehendsten romanisch sind die beiden sehr ähnlichen Kirchlein der nicht weit voneinander entfernten Dörfer Tholbath und Weißendorf. Abgesehen von dem erst in diesem Jahrhundert erbauten Turme sieht diese Kirche noch ganz romanisch aus. Typisch sind das Steinquadermauerwerk und die Apsis mit Skulpturenfries sowie weitere “Köpfe”. Auch das Tympanon über der Tür und die kleinen Rundbogenfenster sind Kennzeichen der Romanik. Auch in Weißendorf finden wir eine Apsis mit Skulpturenfries, außerdem ein hervorragendes Stufenportal zwischen zwei mächtigen Strebepfeilern, das von zwei Löwen flankiert wird. Im inneren ist der seltene Fall einer romanischen Empore, die sich auf Kreuzgewölbe und Säulen stützt. Von außen allerdings scheint diese Kirche wegen des farbigen Anstrichs und des Zwiebeltürmchens nicht so altehrwürdig. Größere Bauten sind teilweise erhalten in Pförring, Greding und Bergen. In Pförring blieben von der dreischiffigen Basilika die Ostteile mit den drei friesgeschmückten Apsiden, die Türme und einige Skulpturen erhalten. Die Kirche wurde nach einem Brand im 16. Jh. neu erbaut. Auch die Türme, deren Stockwerke ebenfalls mit Rundbogenfriesen geschmückt sind, wurden wegen Baufälligkeit im 19. Jh. mit den gleichen Steinen und im Aussehen unverändert ein Geschoß niedriger erneuert. In Bergen bei Neuburg stand einst der seltene Fall einer romanischen Hallenkirchen mit drei gleich hohen Schiffen und drei Apsiden mit Skulpturenfriesen. Der jetzige Barockbau spiegelt den einstigen Grundriß wieder. Erhalten sind noch die Apsiden, ebenso der seitlich etwas abseits stehende dicke quadratische Turm, der neben der jetzigen Kirche etwas zu klein geraten aussieht, sowie die Hallenkrypta, deren Gewölbe von Säulen getragen werden. Besonders wirkungsvoll ist der Eindruck noch im Innenraum der flachgedeckten Martinsbasilika in Greding. Er wird geprägt von den wuchtigen Pfeilerreihen, den Apsiden, einigen Fresken und der schlichten, kahlen Ausstattung. Da die Seitenschiffe später erhöht und die Fenster vergrößert wurden, ist die Außenansicht nicht mehr rein romanisch. Wichtig ist der romanische Karner (Gebeinhaus) im Friedhof. Bemerkenswert ist weiterhin die romanische Nachbildung des heiligen Grabes in der Kirche des Eichstätter Kapuzinerklosters. Weitere barockisierte romanische Basiliken sind die Klosterkirchen von Rebdorf und Plankstetten. Das bedeutendste romanische Bauwerk der Region steht jedoch im kleinen Dörfchen Biburg bei Abensberg. Die dort befindliche Basilika stellt gewissermaßen den Idealtypus der Klosterkirche eines Benediktinerklosters der hirsauischen Reform dar. (Von Hirsau ging im 12. Jahrhundert eine Bewegung aus, die eine Rückbesinnung der Benediktiner zur Einfachheit erreichen wollte.) Dazu kommt, daß die einzige Nennenswerte Änderung in späterer Zeit die Einziehung eines Gewölbes in spätgotischer Zeit und die dadurch notwendig gewordene Erhöhung des Daches war. Das leicht und filigran wirkende Gewölbe bildet jedoch einen überaus reizvollen Kontrast zu den wuchtigen Wänden und Pfeilern. Der Grundriß ist, wie die hirsauische Bewegung forderte kreuzförmig, beiderseits des Chorquadrats erhebt sich je ein Turm, der mit einem Pyramidendach abschließt; die Kirche ist fast schmucklos. Obwohl für die Verhältnisse damaliger Benediktinerklöster klein, ist sie die größte erhaltene romanische Kirche in der Region. Besonders wertvoll sind die in der Kirche aufbewahrten Grabsteine der Stifter, von Äbten und ortsansässigen Adeligen sowie das mit einem schwer deutbaren Figurenzyklus versehene Portal. Auch das weithin bekannte Portal des winzigen romanischen Kirchleins von Bad Gögging ist mit Reliefs übersät, deren Sinngehalt heute nicht mehr nachvollziehbar ist.

 

Bedeutende gotische Kirchen findet man in unserer Region vor allem in den Städten Eichstätt und Ingolstadt. Sicherlich jedem bekannt ist das Ingolstädter Münster, eine aus Backstein als Schloß- und Pfarrkirche erbaute spätgotische Hallenkirche. (Bei einer Hallenkirche sind alle Schiffe etwa gleich hoch, bei einer Basilika ist das Mittelschiff höher und hat eigene Fenster.) Typisch spätgotisch sind im Münster die Gewölbe, sowohl das Netzgewölbe im Langhaus als auch die hängenden Gewölbe in den Seitenkapellen. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, daß Westfassade und Türme nie vollendet wurden. Mit einer Länge von fast 90 m und einer Gewölbehöhe von 28,5 m im Mittelschiff kann sich das Münster durchaus mit den Domen anderer Städte messen. (Mit 45 m ist die Gewölbehöhe des Kölner Doms die größte aller vollendeten gotischen Kirchen, der Scheitel des höchsten erhaltenen romanischen Gewölbes im Speyerer Dom liegt in 32 m Höhe.) Die anderen gotischen Kirchen Ingolstadts sind St. Moritz, die Franziskanerbasilika und die Spitalkirche. St. Moritz ist die älteste Kirche Ingolstadts, eine dreischiffige Basilika mit noch romanischen und frühgotischen Teilen. Auch der Turm stammt aus dieser Zeit. Einen besonders schönen Eindruck vermittelt die Franziskanerbasilika trotz der statt des alten Flachdecke eingezogenen barocken Gewölbes. Die Spitalkirche ist eine weitere kleine Hallenkirche. Im Vergleich der Ingolstädter Kirchen läßt sich die Entwicklung des gotischen Stils von der Früh- zur Spätgotik gut nachvollziehen. Ebenso eine spätgotische Hallenkirche ist der Eichstätter Dom. Allerdings sind seine Türme noch romanisch, der Chor frühgotisch, vom Vorgängerbau übernommen. Auch Kreuzgang und Mortuarium sind noch spätgotisch, die Westfassade allerdings barock. Wie die romanischen, so sind auch die meisten gotischen Dorfkirchen durch Umbauten verändert. Oft gibt nur ein kleines spitzbogiges Fenster oder ein gotisches Portal einen Hinweis auf die Entstehungszeit. Die äußerlich noch weitgehend gotischen Kirchen haben oft Türme mit Treppengiebeln, so z. B. in Oberhaunstadt, sowie Menning und Dünzing bei Vohburg. Mehrere spitzbogige Fenster findet man noch an der Kirchen in Kirchbuch bei Beilngries (hier zusammen mit den Treppengiebeln am Turm) und der in Oberhartheim bei Vohburg, die auch nach der Barockisierung interessante gotische Kennzeichen an Chor und Turm aufweist. Die bedeutendste gotische Dorfkirche steht wohl in Pollenfeld. Das Langhaus ist zwar neugotisch, aber man findet noch ein spätgotisches Portal, einen großen gotischen Chor, ein sechs Meter hohes Sakramentshäuschen und einen steinernen Wandschrank aus der Spätgotik und mittelalterliche Buntglasfenster. Hübsche Kirchen aus der Zeit der Spätgotik sind die Stadtkirchen in Neustadt/Donau und Abensberg, ebenso die Kirche der Abensberger Kapuzinerklosters. Die beiden Stadtkirchen sind Hallenkirchen, deren mittelalterliche Bausubstanz gut erhalten ist. Der Schmuck beider Gotteshäuser ist typisch spätgotisch, d. h. voller geschwungener Bögen und filigraner Ornamente.

 

 

 

ehem. Hirsauer Reformklosterkirche Biburg

 

 

 

Biburg, Mittelschiff nach Westen

 

 

 

Klosterkirche Plankstetten

 

 

 

Greding, Basilika St. Martin

 

 

 

Greding, Basilika St. Martin

 

 

 

Ingolstadt Franziskanerkirche

 

 

 

Stadtkirche Abensberg

 

 

 

ehem. Klosterkirche Bergen, Krypta

 

 

 

Kirchenburg Kinding

 

 

 

Pförring, Pfarrkirche

 

 

 

Bad Gögging, Portal der Kirche

 

 

Von vielen bedeutenden Burgen sind heutzutage nur noch die Ruinen vorhanden. Man unterscheidet Höhenburgen auf einem Berg oder über einem Tal und Talburgen im tieferliegenden Gelände. Mittelalterliche Burgen folgen nicht wie die Kirchen strengen Schemata, sondern passen sich den Gegebenheiten ihrer Lage an. Deshalb ist die Anordnung der Einzelgebäude oft recht willkürlich. Eine Burg kann man meist nicht als ganze einer Stilepoche zuordnen, da sie meist immer wieder erweitert und umgebaut wurde. Ein recht sicheres Unterscheidungsmerkmal sind jedoch die romanischen Rund- und gotischen Spitzbögen an Fenstern, Türen und Gewölben. Die sicher bekannteste mittelalterliche Höhenburg der Region ist Schloß Prunn. Die größtenteils romanischen Bauten mit einigen Ergänzungen und Ausbauten der frühen Neuzeit sind wegen ihres guten Erhaltungszustandes besonders sehenswert. Ebenfalls sehr interessant ist Burg Kipfenberg auf einem Dolomitfelsen über dem Markt. Aus dem Mittelalter erhalten ist der Bergfried, dessen Buckelquadermauerwerk für die Zeit der Romanik typisch ist. Die Befestigungsanlagen sind teilweise noch gotisch, die Burgkapelle spätgotisch. Die anderen Bauten wurden zu Beginn unseres Jahrhunderts neu erbaut. Auch die beiden Türme des Rokokoschlosses Hirschberg oberhalb Beilngries sind noch mittelalterlich. Eine Talburg findet man in Nassenfels. Die von der Schutter umflossene Wasserburg ist Ruine, aber noch in gutem Zustand und wird renoviert. Der romanische Bergfried und die bald danach errichteten drei Mauertürme vermitteln einen wehrhaften und respekteinflößenden Eindruck. Ein Teil des spätgotischen Zwingers ist im Ostteil erhalten. Die Ruine des im Südteil gelegenen Kasten- oder Gerichtshauses ist barock. Ruinen von hauptsächlich romanischen Höhenburgen sind Burg Arnsberg, die Ruine Flügelsberg und die beiden Burgruinen oberhalb Riedenburg, gotisch ist Ruine Rundeck bei Erlingshofen. Reste einer weiteren Wasserburg finden sich in Rieshofen.

 

 

 

Burg Nassenfels

 

 

 

Rosenburg oberhalb Riedenburg

 

 

 

Burg Kipfenberg

 

 

 

mittelalterliche sog. "Römerbrücke" bei Pfünz

 

 

Wie dieser Aufsatz zeigen soll, findet man auch in unmittelbarer Umgebung von Ingolstadt, mit dem Auto in wenigen Minuten zu erreichen und auch als Ausflug mit Fahrrad oder Linienbus nicht zu weit, eine interessante Anzahl mittelalterlicher Bauwerke.

 

 

Weitere Bilder 1

Weitere Bilder 2 (Tholbath und Weißendorf)

 

 

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